Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension der Bohemia

Karl Kraus in der Lesehalle

Er ist in seine zweite Periode eingetreten und die ‚Fackel‘ in ihren zwölften Jahrgang. Er ist auch nicht mehr der Fackelkraus allein. Er gehört zu den Autoren des Langen-Syndikats, und er protegiert den ‚Sturm‘ .... Er ist Sprachbildner, und er bereist die Städte zweier Monarchien. So kam er, ein Privatgelehrter, auch in unser melancholisches Prag.

Rezension des Prager Tagblatt

Karl Kraus, dessen gestrige Vorlesung in der »Lesehalle« eine Oase in der dürren Einförmigkeit unserer Vortragschronik bildete, hat die Anfänge seiner Popularität der kühnen Polemik zu danken, mit der er vor Jahren gegen geistige Werte anzukämpfen begann, die man in Wien sonst nur stillschweigend anzuzweifeln wagte. Er wirkte durch die Verwegenheit seines Streitrufes und die oft verblüffend witzige Form seiner Satire.

Signatur: 
L-137743

9. Vorlesung am 12.12.1910

12.12.1910
Prag

[Karl Kraus las in der Lesehalle aus eigenen Schriften: Aphorismen (Sprüche und Widersprüche) / Der Biberpelz / Die Welt der Plakate / Das Ehrenkreuz / Die chinesische Mauer (Elsie Siegel) - vgl. Die Fackel 313-314, 31.12.1910, 56-62]

13. Vorlesung am 15.03.1911

15.03.1911
Prag

[Karl Kraus las  im Zentral-Saal.] In Prag wurde die zweite Vorlesung am 15. März veranstaltet. Nicht von der Deutschen Lese- und Redehalle, die den größten Wert auf die Wiederholung der ersten gelegt hatte. Es mußten damals so viele Leute abgewiesen werden, daß man fürchtete, sie wieder nicht alle unterzubringen, und die, die dabei gewesen waren, schienen von tiefer Reue erfaßt. Vielleicht, weil sie einsahen, daß man, wenn das so weiter ginge, mit mir jeden Abend Erfolg haben könnte, vielleicht weil ein einflußreicher Prager Lyriker es dann »jeden Früh« in der Zeitung hätte lesen müssen.

Rezension des Prager Tagblatt

.... Es kann nicht schaden, wenn in einer Zeit, die aus Mangel an eigener Schöpferkraft allzu Vieles konserviert und »rettet«, einer auftritt, der den Mut hat, traditionelle Werte umzustoßen; Ungerechtigkeiten, die dabei unvermeidlich sind, korrigieren sich rasch und das Positive einer solchen Tat, wenn sie von einem Kraftvollen geleistet wird, tröstet über die Mißverständnisse, die sie bei einem philiströsen Publikum hervorrufen könnte.

Signatur: 
L-137743

Rezension der Novina

Karl Kraus, der Wiener Satiriker großen Stils von wahrer geistiger Keuschheit, las am 15. März im Zentral-Saal einige Arbeiten, nicht mit theatralischer, aber mit dramatischer Verve. Kraus hatte viel durch Wien zu dulden, durch dessen Feuilletonmanieren, Unsauberkeit und Unanständigkeit in geistigen Dingen; — eine herbe Spur all dieses Leidens fühlte man in seinen Arbeiten, unter denen der Aufsatz »Heine und die Folgen« am höchsten stand.