Karl Kraus, der vorgestern als Gast der Lesehalle hier vortrug, gilt den Leuten, die auch ohne die ‚Fackel‘ die Druckfehler der ‚N. Fr. Presse‘ entdecken, als der verschmockteste Schmock von Wien [...]
Im übrigen ist der Fackelkraus ein ganz ungefährlicher Herr. Er hat zwar vor Jahren eine brandrote Zeitschrift gegründet, um seine weltbewegenden Ideen zum Ausdruck zu bringen; Herr Feigl vom ‚Extrablatt‘ und Herr Hirsch von der ‚Presse‘ müssen »vor Wut platzen«. Aber er entthronte diese Größen nicht [...]. Durch solche Mißerfolge verstimmt, verlegte sich Kraus auf die Philosophie und prägte »geistvolle Antithesen« [...] Außerdem schrieb er über weltbewegende Ereignisse, so z. B. über die Entwendung eines Pelzes im Kaffeehause, allerhand Paraphrasen — die Geschichte »Der Biberpelz«, die er vorgestern im mystischen Halbdunkel las. Die Vorlesung war ausgezeichnet besucht, und das Publikum klatschte lebhaft. Karl Kraus hat es selbst gesagt: »Je größer der Stiefel, desto größer der Absatz.«
[Deutsches Abendblatt, zitiert in: Die Fackel 313-314, 31.12.1910, 60] - zitiert nach Austrian Academy Corpus