Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

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Erinnerung von Willy Haas

Daran, daß Karl Kraus in Prag den Eingang zu unseren Kreisen fand, war ich selbst der Hauptschuldige: Ich selbst hatte ihm diesen Eingang weit geöffnet.  Ich hatte damals ein Amt bei einem Prager deutschen literarischen Studentenverein, das mir ermöglichte, Vorlesungen in einem Saal zu veranstalten. Ich lud als ersten Karl Kraus ein, dessen „Fackel“ ich seit Jahren las, und der in Wien ein paar sehr erfolgreiche Vorlesungen aus seinen Schriften gehalten hatte. Karl Kraus kam – es war seine erste Vorlesung im alten Prag.

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15. Vorlesung am 06.11.1911

06.11.1911
Wien

[Karl Kraus las im Beethoven-Saal. Der Abend] hat, veranstaltet vom Akademischen Verband für Literatur und Musik, am 6. November vor fast tausend Hörern im Beethoven-Saal stattgefunden. Das Programm, auf dessen Rückseite zur Einführung zwei Aphorismen aus »Pro domo et mundo« und Stellen aus Kritiken gesetzt waren, die sich auf das Verständnis der Distanz zwischen stofflichem Anlaß und künstlerischer Gestaltung beziehen, kündigte die folgenden Satiren, Glossen und Aphorismen an: I.

Karin Michaelis

Journalistin, Schriftstellerin

* 20. März 1872 in Randers als Katharina Marie Bech-Brondum; † 11. Januar 1950 in Kopenhagen

Biographische Verweise durch die GND 11539396X:

Rezension der Köbenhavn

Ein Karl Kraus-Abend

Von Karin Michaelis

Man hatte mir vorher gesagt: Gehen Sie nichthin, Sie werden nichts davon verstehen. Aber das war ein Irrtum. Ich verstand vieles, vielleicht die Hälfte, vielleicht nur ein Viertel. Aber was ich verstand, möchte ich nicht um vieler Premieren-Abende willen versäumt haben. Es war ein Erlebnis, und wer von uns sammelt nicht Erlebnisse?

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L-137743
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Rezension des Ton und Wort

Die Schwierigkeit, Karl Kraus zu ignorieren, wächst. Denn sein Publikum tut nicht mit, dieses Publikum, das ihm über neunhundert Köpfe stark am letzten Vorleseabend im Beethovensaal immer wieder zujubelte und durch ungestümen Beifall ihn fast eine Stunde länger als die gesetzte Zeit festhielt. Das ist eine durch kein offizielles Gazettenschweigen wegzuschaffende Tatsache.

16. Vorlesung am 23.11.1911

23.11.1911
Brünn

[Karl Kraus las in der Neuen Akademischen Vereinigung.] Von den Gesichtern, Die Malerischen, Reformen, Das Erdbeben (Die chinesische Mauer) / Der Traum ein Wiener Leben / Glossen und Aphorismen: Der Grubenhund, Zuschrift des Dr. Ing. Erich Ritter v. Winkler,  Erdbeben ect. [vgl. Die Fackel 339-340, 30.12.1911, 23-24] - zitiert nach Austrian Academy Corpus

Rezension des Tagesboten Brünn

Dr. P. H. Vorlesung Karl Kraus. Es kam so wie im verflossenen Jahre, als er zum ersten Male in Brünn las. Wer zum ersten Male hinging in Erwartung eines literarischen Ereignisses, der kam zurück von einem persönlichen Erlebnisse. Das ist kein Vorlesertisch, kein Vortragspodium. Es ist eine Bühne, auf der der Autor uns seine Werke vorspielt. Darum die spanische Wand, das Fehlen der üblichen Wasserflasche, die Verdunkelung des Saales — bühnenmäßige Technik. Das Organ des Künstlers ist bewunderungswürdig. Alle Laute des Lebens scheint sein Ohr erlauscht, sein Gedächtnis registriert zu haben.

Signatur: 
L-137743

Rezension des Mährisch-schlesischen Korrespondenten

....Abermals gedrängt voll ....Kein Wort geht aus seinem Munde verloren. Und seine Vortragsweise umfaßt alle Tonleitern eines durchgeistigten Sprechens. Vom ersten Auftakt in die spöttische Pointe, von der amüsierten Gutmütigkeit bis zur gellen, beinahe tragisch-ernsten Groteske. Und dabei hat diese Stimme einen so ergreifenden Klang. Ferne, verborgene Schönheit läßt sie manchmal ahnen, Schönheit, die sich gepanzert hat und dennoch jubelnd hinter herabgelassenem Visier triumphiert ....Aus allem der Grundton seines heiligen Zornes:der Kampf gegen die Banalitäten Wiens und Österreichs.

Signatur: 
L-137743