Karl Kraus ca. Neues Wiener Abendblatt

Wien
17.09.1927 – 07.12.1927

[91.] Das Neue Wiener Abendblatt berichtete über Kraus' Plakat mit der Rücktrittsaufforderung gegen Schober und unterstellte Karl Kraus, von der sozialdemokratischen Partei als Bundesgenosse mobilisiert worden zu sein. 

Nachdem die Berichtigung nicht aufgenommen wurde, reichten Samek und Kraus Privatanklage gegen den verantwortlichen Redakteur Oskar Hirth ein. Dessen Verteidigung führte aus, dass die Berichtigung aufgrund einer fehlenden Antithese und der fehlenden Beilage einer Vollmacht nicht den pressgesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe und zudem die zu berichtigende Stelle durch ein "vielleicht" keine berichtigungsfähige Tatsache darstelle. Es wurde ihr recht gegeben. 

Kraus und Samek legten Berufung ein: "Es wäre ja anderenfalls für die Zeitung jede Möglichkeit gegeben, durch Einschiebung eines für den Leser kaum bemerkbaren Wörtchens 'vermutlich, angeblich, bekanntlich, vielleicht' Tatsachen zu verbreiten, ohne dass das Recht gegeben wäre, die wahre Tatsache entgegenzustellen." (91.7.)

Dieser Berufung wurde im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen I Wien stattgegeben: "[...] denn auch Tatsachen, Mitteilungen, die in die Form einer bloßen Vermutung gekleidet werden, sind berichtigungsfähige Tatsachen [...]“. (91.9.)