228. Vorlesung am 16.04.1922

Wien
16.04.1922

[Karl Kraus las in der Renaisance-Bühne am] 16. April, 3 Uhr:

I. Einleitung.*) — Literatur, Magische Operette in zwei Teilen.

Zum Schluß: Wien (anläßlich einer monarchistischen Demonstration. (Auf dem Programm das Vorwort zu »Literatur«).

Ein Teil des Ertrags für das Kinderasyl »Kahlenbergerdorf« (Kanzlei: Wien, I. Dorotheergasse 12). — Der Ertrag des Programms für den wohltätigen Zweck.

[Die Fackel 595-600, 07.1922, 68] - zitiert nach Austrian Academy Corpus

Programmzettel

[...]

Einleitung

Literatur

oder

Man wird doch da sehn

Magische Operette in zwei Teilen von Karl Kraus

(Musik nach Angabe des Verfassers)

Personen:

Johann Wolfgang, Sohn

Der Vater

Johann Paul, Cousin

Der Onkel

Die Schwester

Drei Freundinnen der Schwester

Ein entfernter Verwandter

Ein Kiebitz beim Tarockspiel

Die Bewunderer

Zwei Stimmen vom Schachtisch

Ein Schachpartner

Stimme des Kiebitzes

Harald Brüller

Brahmanuel Leiser (stumme Figur)

Zwei Mänaden

Chloe Goldenberg

Zwei Bacchanten

Zwei Tarockspieler

Ein Kiebitz

Stimme eines Bacchanten

Ein Bewunderer

Schwarz-Drucker

Frei-Handl

Ein Bacchant

Ein Spiegelmensch

Ein Waschzettel

Stimme aus der Garderobe

Franz Blei, ein Abt der roten Garde

Der Großvater

Bacchanten, Mänaden, Schachspieler, Tarockspieler, Faune, Schmöcke

Ort der Handlung: Ein Kaffeehaus

Zum Schluß: Wien (anläßlich einer monarchistischen Demonstration) [Ungedruckte Verse]

[...]

(1913)

Ich hatte in diesem mystischen Erlebnis die namenlose Persönlichkeit des Wortes erfahren. — —

Am Morgen weckte mich ein Brief von Karl Kraus, in dem er mir mitteilt, daß er meine von einem Freunde (ohne mein Wissen) eingesandten Gedichte in der Fackel zu drucken beabsichtigt.

Ein Jahr später sah ich Kraus von Angesicht zu Angesicht und erkannte alle Schauer dieses Lebens im Leib, in ihm jene Traumerscheinung. — —

Ich habe gestern einige Seiten Philosophisches über Karl Kraus geschrieben.

Ich sende es Ihnen nicht — es ist ohnmächtig!

Ohnmächtig gegen das Ereignis, mit dem unerklärlich dieser Mann in mein Leben trat.

Denn hinter allem Essayistischen, das ich über Karl Kraus schreiben könnte, stünde
gebieterisch und unverrückbar die Stunde, die meinen Planeten an den seinen bindet.

(1920)

»Was soll ich nun in den nächsten Tagen der Beschäftigungslosigkeit beginnen? Halt! Ich will unter die Propheten gehn, natürlich unter die größeren Propheten! — Das Erste ist, ich gründe … eine Zeitschrift und nenne sie: Die Leuchte? Nein! Der Kerzenstumpf? Nein! Die Fackel? Ja! — — Ich will den Stadtklatsch zu einem kosmischen Ereignis machen — — Ich will mit Kalauer und Pathos so trefflich jonglieren, daß jeder, der bei der einen Zeile konstatiert, ich sei ein spaßiger Denunziant und Fürzefänger, bei der nächsten zugeben muß, daß ich doch der leibhaftige Jesaja bin … Mein leider allzu abhängiger Charakter hat ein großes Talent auch zum akustischen Spiegel.

Kurz und gut, weil ich zwar den Menschen aus den Augen, doch nicht in die Augen sehen kann, will ich ihnen lieber gleich in den Hintern schauen, ob dort ihr Ethos in Ordnung ist — —«

Ein Teil des Ertrags für das Kinderasyl »Kahlenbergerdorf« (Kanzlei: Wien, I. Dorotheergasse 12).