Karl Kraus ca. Wochenschrift Die Fackel

Wien, Berlin
06.09.1931 – 12.11.1931

[166.] Durch seinen Berliner Anwalt Botho Laserstein erfuhr Kraus, dass in Deutschland eine neue, linkssozialistische Wochenschrift unter dem urheberrechtlich geschützten Titel Die Fackel erschien. Laserstein beantragte sofort eine einstweilige Verfügung. Im Antrag auf Erlass dieser einstweiligen Verfügung ging Laserstein auf die Geschichte von Kraus' Fackel ein und erklärte:

"Der Titel 'Die Fackel' ist durch das Urheberrechtsgesetz geschützt, da er einen eigenen geistigen Inhalt hat und zum Ausdruck bringen soll, dass gewisse Zustände der gegenwärtigen Gesellschaft erleuchtet und erhellt werden müssen. Das Verhalten der Antragsgegnerin verstösst aber auch gegen das unlautere Wettbewerbsgesetz. Denn beide Zeitungen werden in Berlin vertrieben. Beide Zeitungen haben eine sozialistische Tendenz; die des Antragsstellers ist frei sozialistisch [...]. Die Bermerkung 'SWZ' [Sozialistische Wochenzeitung] vor dem Titel 'Die Fackel' ist kein genügendes Unterscheidungsmerkmal." (166.8.)

Die existenzgefährdete Wochenschrift bat um einen Vergleich und um eine Übergangsphase, um den neuen Titel SWZ, Sozialistische Wochenzeitung zu etablieren. Kraus war damit einverstanden. Nachdem diese Regelung bereits getroffen war, wandte sich aber noch die Herausgeberin Ruth Seydewitz an Kraus:

"Ihre politische Einstellung ist mir aus Ihren Schriften und Vorlesungen bekannt. Ich weiß, daß Sie die gleichen Ziele verfolgen wie wir. Ich weiß auch genau, daß Sie uns durch Ihren Einspruch gegen die Führung des Namens 'Die Fackel' keinerlei Unannehmlichkeiten machen wollten. [...] Nun liegt die Sache aber auch so,m daß unsere Zeitung unter dem namen 'Fackel' in ganz Deutschland so bekannt geworden ist, daß eine Änderung des Namens eine große Schwächung bedeuten würde. Ich kann nicht annehmen, daß Sie dies bezwecken." (166.13.)

Kraus antwortete durch den Verlag Die Fackel und äußerte sich verwundert, dass die Kenntnis der Wiener Fackel sie nicht abgehalten habe, ihrer Zeitschrift den Titel Die Fackel zu geben. Er bedauerte auch, dass sie kein Wort der Entschuldigung gefunden habe und fügte hinzu: " Mit Recht nehmen Sie [...] an, daß wir Ihre Schädigung nicht bezwecken. Mit Unrecht verkennen Sie nur unseren wahren Zweck, uns vor Schädigung zu schützen." (166.14.)