[23.] Die Stunde veröffentlichte einen Artikel, in dem sie dem Budapester Anwalt Miksa Rosenberg Beamtenbestechung am Budapester Strafgericht im Auftrag von Karl Kraus unterstellte. Nach Absprache mit Miksa Rosenberg beantragten Samek und Kraus die Einleitung von Voruntersuchungen gegen Emmerich Békessy, Fritz Kaufmann und weitere unbekannte Täter wegen Ehrenbeleidigung. Da das Landesgericht für Strafsachen nach Voruntersuchungen und Einvernahmen von Békessy und Kaufmann keine Möglichkeit sah, gegen jemanden vorzugehen, beantragten Kraus und Samek die Abtretung des Aktes an das Strafbezirksgericht I Wien, wo sie Fritz Kaufmann wegen Ehrenbeleidigung und Verleumdung klagten. Samek versuchte zudem auch Miksa Rosenberg zur Einreichung einer Ehrenbeleidgungsklage zu bewegen. Am 30. Juni 1926 sagte Imre Falus, Rosenbergs Stellvertreter, aus:
"Im Oktober 1925 hat mich Geza Bekefi, welcher Budapester Redakteur der 'Die Stunde' ist, darum ersucht, in der Strafsache des Emerich (Imre) Békessy zu intervenieren. Ich soll insbesondere feststellen, welche und was für Sachen gegen ihn im Zuge sind [...]. Ich habe auch bei der Staatsanwaltschaft interveniert und habe die seit dem Jahre 1915 gegen Bekesi anhängig gewordenen Zahlen mir aus dem Hauptregister ganz auf die vorgeschriebene Art herausgeschrieben. Die Ausfolgung der gegen Bekesi anhängigen Akten habe ich nicht verlangt, einen Bestechungsversuch habe ich nicht begangen. Ich war zu dieser Zeit Stellvertreter des Rechtsanwaltes Dr. Miksa Rosenberg und habe als solcher interveniert, obwohl ohne sein Wissen weil er zu dieser Zeit in Wien gewesen ist [...]". (23.34)
Das Landesgericht für Strafsachen wurde nun erneut eingeschaltet, doch Kraus und Samek beantragten die "abgesonderte Führung eines Strafverfahrens" gegen Kaufmann am Strafbezirksgericht, da die gemeinsame Führung der Strafsache eine erhebliche Verzögerung der Verfahrens verursachen würde. Die Verhandlung am Strafbezirksgericht wird schließlich auf den 21. Oktober 1926 unter dem Richter Christoph Höflmayr anberaumt. Kraus und Samek, die schon mehrfach mit Höflmayr konfrontiert gewesen waren, stellten nun einen Antrag auf Ablehnung des verhandelnden Richters:
"Ich lehne den Richter Hofrat Christoph Höflmayr [...] wegen Befangenheit ab [...]. Ich begründe diese Ablehnung und dieses Ersuchen durch den Hinweis auf die Argumente, die ich in der beigelegten Schrift 'Die Stunde des Todes' (Die Fackel, Nr. 732-34, August 1926, S. 50 und 51) ausgeführt habe. Ich habe dort die enormen Schwierigkeiten dargestellt, die der unerlässliche juristische Kleinkampf innerhalb jener Polemik gegen das Uebel der 'Stunde' mit sich gebracht hat [...]. In den Fällen nun, wo die Entscheidung in den Händen des Richters Hofrat Höflmayr gelegen war, hat er durch seine Haltung bis zum Urteil unverkennbar zu verstehen gegeben [...] zu welcher Partei hin sich seine Sympathien zuneigten. Er hat [...] unverkennbar dargetan, dass er diese Klagen als Querelen, diese Prozesse nicht als den kärglichsten Ausdruck der Notwehr gegen eine Kulturpest, nicht als Verdienst in einer wahrhaft patriotischen Aktion zur Befreiung Wiens, sondern einfach als Behelligung der Justiz empfand. [...] Der Richter Hofrat Höflmayr hat nicht erkannt, welches System da vor seinen Richterstuhl gestellt war […]. Ob Herr Hofrat Höflmayr überhaupt die notwendige pressrichterliche Energie für eine so grosse Stadt mit so verwilderten Presssitten vorstellt, hat in diesem Antrag nicht erörtert zu werden." (23.39)
Die Ratskammer des Landesgerichts für Strafsachen lehnte diesen Antrag von Kraus und Samek ab, am 2. Dezember 1926 fand die Hauptverhandlung statt und Fritz Kaufmann wurde der Übertreung nach § 30 des Pressegesetzes für schuldig erkannt. Kaufmann legte noch Berufung ein, der aber nicht stattgegeben wurde. Kraus wiederum legte Beschwerde gegen den Kostenbeschluss ein, allerdings auch erfolglos.