Vorlesungsprogramm Karl Kraus - Theater der Dichtung

Transkription: 

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THEATER DER DICHTUNG

Tritschtratsch

Posse mit Gesang in einem Akt von Johann Nestroy

eingerichtet von Karl Kraus

Musik nach Angaben der Vortragenden (Lied der Kotton von Mechthilde Lichnowsky)

Erstaufführung, 20. November 1833, im Theater an der Wien

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Die Schwätzerin von Saragossa

Komische Oper in zwei Akten von Jacques Offenbach

Text nach Charles Nuitter von Carl Treumann, bearbeitet von Karl Kraus

Musikalische Einrichtung: Franz Mittler

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Mit neuen Zeitstrophen

Begleitung: Franz Mittler

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Die Aufnahme des »Verschwender« in das Repertoire des Theaters der Dichtung — einer längst gehegten Absicht entstammend — erfolgte derzeit im Vertrauen auf die Unmöglichkeit einer Aufführung in Röbbelings Burgtheater. Den eigentlichen Anstoß gaben die Bilder, die Herrn Hermann Thimig in den drei Stadien des Hobelliedes zeigen. Eine Remedur ist nun freilich für diesen edelsten der verletzten Teile und auch wegen der Seichtheit des Anfangs geboten, während das Spiel des Darstellers gerade im dritten Akt, trotz zeit- und ortswidrigem Bart, eine erfreuliche Überraschung bedeutet, wie überhaupt durch Regie und Darstellung — mit einigen Ausnahmen — dem Werk nicht wesentlich nahegetreten wird (ganz gewiß nicht durch die stilgerechte Rosa der Frau Seidler, Herrn Höbling als Azur und Herrn Huber als Sockel). — Völlig anders steht es mit dem erschütternd trostlosen »König Lear«, weniger Tragödie als Katastrophe, dessen Zusammenhang mit Shakespeare, in einer Reihe regieverlassener Begabungen, höchstens drei Episodisten behaupten. Im Ganzen ein durch Herrn Werner Krauß »zertrümmert Meisterstück der Schöpfung«, dessen Wiederherstellung sich als unerläßlich erweist.

Aus dem Burgtheaterprogramm

Der Inszenierungsgedanke für die Aufführung von »König Lear« von Hermann Röbbeling

Das leidenschaftlichste, bis an den innersten Kern des Menschen gehende und daher grandioseste Drama der Weltliteratur ist wohl »König Lear«. Shakespeare wählte als Schauplatz das sagenhafte, heidnische Nordland, in dem christliche Zucht und Sitte ihren mildernden, veredelnden Einfluß auf die Menschen noch nicht geltend gemacht haben, wo die Leidenschaften noch ungezügelt in ihrer vollen ursprünglichen Wildheit einherbrausen. Lear selbst, ein leidenschaftlicher Despot, der ein Menschenleben hindurch ein Land beherrschte, keinen Widerspruch kannte und seine Wünsche sogleich erfüllt sah, erfährt das erste »Nein« in seinem Leben von seiner Lieblingstochter Cordelia in dem Augenblick, als er sein Reich und seine Herrschaft an seine Töchter verschenken will. Der Widerspruch Cordelias bringt ihn so außer Fassung, daß er ein Verständnis für das tiefe, wahre Gefühl, das aus den schlichten Worten der Tochter spricht, so wie für die heuchlerisch übertriebenen Schmeicheleien der beiden anderen Töchter gar nicht aufkommen läßt. Voll leidenschaftlichen Zornes enterbt und verbannt er Cordelia, ohne die Folgen dieser seiner Handlung auch nur im geringsten zu übersehen. Die Leidenschaft als Exposition einer Tragödie! Diese selbst erfüllt stärkstes dramatisches Leben: die Undankbarkeit und Herzlosigkeit der beiden reich beschenkten Töchter gegen den Vater, die ihn in den Wahnsinn treiben, ihre Falschheit und Lasterhaftigkeit, die bis zum Schwestermord führt, schließlich der Kampf des schurkischen, herrschsüchtigen Bastards Edmund (ein Shakespearescher Franz Moor) gegen den Bruder und Vater, Verstoßung des Bruders, Blendung des Vaters, zum Schlusse sogar ein Anschlag auf das Leben Cordelias, der ihren Tod zur Folge hat. Im Mittelpunkt der vom Wahnsinn gepeitschte Lear, eine poetische Krankengeschichte, die aus der dämonischen Allgewalt der Leidenschaften herauswächst, erschütternd wahr, echt bis ins Kleinste, gigantisch in ihrem Ausmaße, wie sie nur ein Shakespeare erfinden kann. Und dies schrieb der Dichter in einer Zeit, in der  Wahnsinnige als Hexen verbrannt, als Besessene ausgestoßen wurden.

Der Regisseur des Werkes steht zwar vor einer großen Aufgabe, doch braucht er nur den Absichten des Dichters zu folgen, die aus jedem Wort, aus jeder Zeile klar hervorgehen. Er muß Herz und Verständnis für den tiefen menschlichen Gehalt des Dichters haben. Er muß dem Dichter die erforderliche Umwelt schaffen und den Darsteller an die Tiefen des Dramas heranführen. Selbstgefällige Regiekünste sind von Übel; wie die Religion nicht mit dem Verstand zu erfassen ist, so ist auch ein solches Werk nur mit Empfindung und Gefühl auf die Bühne zu stellen. Wenn Edgar seinem schwer geprüften, lebensmüden Vater zuruft: »Dulden muß der Mensch, sein Scheiden aus der Welt wie seine Ankunft, reif sein ist alles«, bleibt für den Regisseur nichts zu inszenieren, hier gibt es keine Auffassungsverschiedenheiten, nur Ehrfurcht vor dem Genie des Dichters und Bescheidenheit gegenüber der eigenen Arbeit.

Aus der Reichspost

Burgtheaterdirektor Röbbeling in Budapest. Angesichts des bevorstehenden Eintreffens des Burgtheaterdirektors Röbbeling, der als Gastregisseur die Proben zu Schillers »Maria Stuart« im Nationaltheater leiten wird, befaßt sich der »Pester Lloyd« in einem längeren Artikel mit der Persönlichkeit und dem Wirken Röbbelings. Das Blatt erblickt in Röbbelings hoher Funktion als Gastregisseur einen bedeutungsvollen Akt des geistigen Zusammenwirkens mit Österreich und den Ausdruck einer Harmonie, die man von ungarischer Seite seit der Trennung stets angestrebt habe. Österreichs geistige Welt entsende einen ihrer repräsentativsten Vertreter nach Ungarn, eine Kundgebung, die sich gegen kein anderes Volk richte.

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Signatur: 
H.I.N.-240457