Vorlesungsprogramm Karl Kraus

Transkription: 

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Karl Kraus: Worte in Versen

Goethe-Ähnlichkeit / Abenteuer der Arbeit / Memoiren / Sonnenthal / Wiedersehn mit Schmetterlingen / Der Reim / Der Anlaß / Der Ratgeber / Bange Stunde (Ungedruckt) / Verlöbnis / Die Flamme der Epimeleia (Ungedruckt) 

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Helena

Faust, der Tragödie zweiter Teil, III. Akt. Von Goethe.

[…]

»— — Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.«

Gespräch mit Eckermann, 6. Mai 1827.

»— — mit einem Worte, ich verwünsche alles, was diesem Publikum irgend an mir gefällt. Ich weiß, daß es dem Tag und daß der Tag ihm angehört; aber ich will nun einmal nicht für den Tag leben .... Ja, wenn ich es nur je dahin noch bringen könnte, daß ich ein Werk verfaßte — aber ich bin zu alt dazu —, daß die Deutschen mich so ein funfzig oder hundert Jahre hintereinander recht gründlich verwünschten und aller Orten und Enden mir nichts als Übles nachsagten; das sollte mich außer Maßen ergötzen .... Sie mögen mich nicht! Das matte Wort! Ich mag sie auch nicht! Ich habe es ihnen nie recht zu Danke gemacht! …« Gespräch mit Falk, 21. (?) Juni 1816.

Ein versiegeltes Paket lag auf dem Tisch. Goethe legte seine Hand darauf. »Was ist das?« sagte er: »Es ist die ‚Helena‘, die an Cotta zum Druck abgeht.« Ich empfand bei diesen Worten mehr, als ich sagen konnte, ich fühlte die Bedeutung des Augenblicks. — — »Ich habe«, sagte Goethe, »bis jetzt immer noch Kleinigkeiten daran zu tun und nachzuhelfen gefunden. Endlich aber muß es genug sein .... Es mag nun seine Schicksale erleben! — Was mich tröstet, ist, daß die Kultur in Deutschland doch jetzt unglaublich hoch steht und man also nicht zu fürchten hat, daß eine solche Produktion lange unverstanden und ohne Wirkung bleiben werde.«

Gespräch mit Eckermann, 29. Januar 1827.

»— — Sie haben vollkommen recht«, sagte Goethe; »auch kommt es bei einer solchen Komposition bloß darauf an, daß die einzelnen Massen bedeutend und klar seien, während es als ein Ganzes immer inkommensurabel bleibt, aber ebendeswegen, gleich einem unaufgelösten Problem, die Menschen zu widerholter Betrachtung immer wieder anlockt.«

Gespräch mit Eckermann, 13. Februar 1831.

»— — Wenn das alles so zur Erscheinung käme«, sagte ich, »wie Sie es gedacht haben, das Publikum müßte vor Erstaunen dasitzen und gestehen, daß es ihm an Geist und Sinnen fehle, den Reichtum solcher Erscheinungen würdig aufzunehmen. »Geht nur«, sagte Goethe, »und laßt mir das Publikum, von dem ich nichts hören mag. Die Hauptsache ist, daß es geschrieben steht; mag nun die Welt damit gebaren, so gut sie kann, und es benützen, so weit sie es fähig ist.«

Gespräch mit Eckermann, 20. Dezember 1829.

Es ist mir, teurer verehrter Freund, höchst wohltätig, wenn ich erfahre, daß meine ältesten, edelsten Zeitgenossen sich mit »Helena« beschäftigen, da dieses Werk als ein Erzeugnis vieler Jahre, mir gegenwärtig ebenso wunderbar vorkommt als die hohen Bäume in meinem Garten am Stern, welche, doch noch jünger als diese poetische Konzeption, zu einer Höhe herangewachsen sind, daß ein Wirkliches, welches man selbst verursachte, als ein Wunderbares, Unglaubliches, nicht zu Erlebendes erscheint .... Brief an Knebel, 14. November 1827.

»Sie (‚Helena‘) ist eine funfzigjährige Konzeption. Einzelnes rührt aus den ersten Zeiten her, in denen ich an den ‚Faust‘ ging, andres entstand zu den verschiedensten Zeiten meines Lebens. Als ich daran ging, alles in einen Guß zu bringen, wußte ich lange nicht, was ich damit machen sollte. Endlich fiel mirs wie Schuppen von den Augen; ich wußte: nur so kann es sein und nicht anders!«

Gespräch mit C. Kraukling, 1. September 1828.

Ganz ohne Frage würd es mir unendlich Freude machen, meinen werten, durchaus dankbar anerkannten, weitverteilten Freunden auch bei Lebzeiten diese sehr ernsten Scherze zu widmen, mitzuteilen und ihre Erwiderung zu vernehmen. Der Tag aber ist wirklich so absurd und konfus, daß ich mich überzeuge, meine redlichen, lange verfolgten Bemühungen um dieses seltsame Gebäu würden schlecht belohnt und, an den Strand getrieben, wie ein Wrack in Trümmern daliegen und von dem Dünenschutt der Stunden zunächst verschüttet werden. Verwirrende Lehre zu verwirrtem Handel waltet über die Welt, und ich habe nichts angelegentlicher zu tun, als dasjenige, was an mir ist und geblieben ist, womöglich zu steigern und meine Eigentümlichkeiten zu kohobieren, wie Sie es, würdiger Freund, auf Ihrer Burg auch bewerkstelligen.

Brief an W. von Humboldt, 17. März 1832
(fünf Tage vor Goethes Tod).

[Zusammengestellt aus einer Sammlung von Aussprüchen Goethes über den Faust]

Der volle Ertrag wird dem Arbeiterverein »Kinderfreunde« (V. Rechte Wienzeile 97) und der Kinder-Schutz- und Rettungs-Gesellschaft zugeführt.

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Signatur: 
H.I.N.-239576