Karl Kraus ca. Neues Wiener Journal

Wien
07.02.1932 – 18.08.1932

[174.] Anton Kuh veröffentlichte im Neuen Wiener Journal einen Artikel, in dem er in boshafter Weise eine Begegnung mit Karl Kraus und seinen "Jüngern" in einem Berliner Kaffee schilderte. Er verspottete Kraus darin als den "meistgeohrfeigten Ethiker der Gegenwart".

Kraus und Samek klagten wegen dieses Ausdrucks den verantwortlichen Redakteur des Neuen Wiener Journals Hans Tabarelli auf Ehrenbeleidigung begangen durch die Presse. Sie wiesen auch darauf hin, dass der Autor des Artikels Anton Kuh ein "im Solde des steckbrieflich verfolgten Erpressers Bekessy tätig gewesener Journalist" und zudem in einer Art "Hassliebe" zu KK befangen sei. Nicht zuletzt habe sich die dargestellte Szene in Wirklichkeit ganz anders abgespielt. Das Neue Wiener Journal wurde verurteilt, aber der Antrag auf Verfallserklärung der den inkriminierten Artikel enthaltenden Zeitungsnummern abgewiesen. Kraus und Samek meldeten also Berufung an:

"Es ist zwar vielleicht nicht durch Zeugen nachweisbar, aber doch auch ohne solche klar und vielleicht gerichtsbekannt, dass die Veröffentlichung des Urteils in der Zeitung das Interesse der Leserschaft weckt, den Artikel kennenzulernen, der zur Verurteilung führte, zumal, wenn es sich, wie bei dem Privatankläger um eine Persönlichkeit handelt, die im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht. [...] Es ist ganz offensichtlich, dass bei dem notorischen Charakter des 'Neuen Wieder Journals' als eines ausschliesslich auf Zwecke der Sensation eingestellten Blattes garedazu auf den Reizwert einer Urteilsveröffentlichung spekuliert wird." (174.8.) Der Berufung wurde stattgegeben.