Karl Kraus ca. Hans Liebstöckl

Wien
20.07.1925 - 01.12.1925

[31.] Der Journalist Hans Liebstöckl, der für die Stunde arbeitete, trat im Café Imperial an Kraus' Bekannte Alma Pollak heran und begann an ihrem Tisch ein Gespräch, in dem er sich sehr abfällig über Bekessys Blatt äußerte. Kraus zitierte diese, ihm hinterbrachten Äußerungen Liebstöckls in "Entlarvt durch Bekessy" in der Fackel, Nr. 691-696:

"...die Bevölkerung [...] könnte sich ein Beispiel an den Redakteuren der 'Stunde' nehmen, die es schier schon nicht mehr ertragen können, und die mich teils zu grüßen versuchen (wenngleich es mißlingt), teils, wie zum Beispiel Herr Liebstöckl, vor Ohren, durch die ich’s hören mag, den Ausspruch tun, die Zeitung, für die sie weiter schreiben, sei 'ja das reine Banditenblatt geworden' (wobei das Zugeständnis einer Entwicklung als Retouche wirkt)." (S. 112)

Liebstöckl sandte nun Kraus zum einen eine formelle Berichtigungsforderung, machte aber auch in einem beiliegenden Brief, in dem er seine Forderung nochmals als "kollegiale Bitte" formulierte, seinem Unmut über Kraus' "Leichtfertigkeit" Luft. Basierend auf diesem Vorwurf der "Leichtfertigkeit" brachten Samek und Kraus - nach einem Briefwechsel mit dem Anwalt Liebstöckls - eine Strafanzeige wegen Ehrenkränkung gegen Liebstöckl am Bezirkspolizeikommisariat Alsergund ein.

Das Bezirkskommisariat Alsergrund erlegte Liebstöckl schließlich eine Geldstrafe von 20 Schillingen auf. Interessant ist in diesem Akt auch ein Brief Sameks, der illustriert, wie dieser immer bemüht war, den Erfolg einer Klage oder Anzeige richtig einzuschätzen und nur bei guten Erfolgsaussichten zu prozessieren (31.7.)