[103.] Karl Kraus und Oskar Samek klagten durch den Münchner Rechtsanwalt Max Hirschberg den verantwortlichen Redakteur des Fränkischen Kuriers Oskar Franz Schardt in Nürnberg. Dieser hatte ihrer Meinung nach einen Artikel zum "Traumstück" zu verantworten, in dem Kraus als "Pseudowiener" persönlich beleidigt worden war. Schardt wies jedoch - was höchst ungewöhnlich war - alle Verantwortung von sich und nannte den Verfasser des Artikels, Ernst Hohenstatter, als Verantwortlichen. Kraus, Samek und Hirschberg sahen Schardt, der zugab den Artikel mildernd bearbeitet zu haben, dennoch als Mitschuldigen und klagten ihn in Nürnberg und Hohenstatter in München. Die Strategie der Kläger war dabei, sich nicht auf weltanschauliche Debatten einzulassen, sondern nur die Rechtsfrage zu stellen. Schardt wurde in Nürnberg in erster Instanz freigesprochen, dann jedoch, nach sechsstündiger Verhandlung, zu 50 Mark Geldstrafe verurteilt. In München wurde die Klage gegen Hohenstatter zurückgewiesen, da sie angeblich verspätet gestellt worden war – eine Beschwerde gegen diese Verjährung wurde ebenfalls zurückgewiesen. In Nürnberg übernahm übrigens der Justizrat Süssheim die Vertretung von Kraus und verlangte, anders als Samek und Hirschberg, für die das Ideelle an Kraus' Sache immer vor dem Materiellen kam, Sonderhonorare. Als Kraus diese nicht gleich bezahlte, kam es zum Zerwürfnis und beinahe zu einem weiteren Prozess Süssheims gegen Kraus.
Karl Kraus ca. Fränkischer Kurier
Nürnberg, München
24.04.1928 – 28.05.1929