Karl Kraus ca. Der Wiener Tag

Wien
05.12.1930 – 27.05.1931

[147.] Die Berichterstattung des Wiener Tag über Pisks Prozess gegen Kraus (siehe Akt 134) enthielt mehrere unwahre Behauptungen. Kraus und Samek forderten eine Berichtigung dieser Behauptungen und klagten den verantwortlichen Redakteur Josef Koller, als diese nicht gebracht wurde.

Josef Koller wurde zu einer Geldstrafe von 30 Schilling, sowie zur Übernahme der Prozesskosten und der Veröffentlichung der Berichtigung verurteilt. Sein Anwalt legte Berufung ein, der aber nicht stattgegeben wurde. Diese Berufungsverhandlung musste übrigens vertagt werden, da Samek an diesem Tag noch zwei weitere Verhandlungstermine hatte, Kraus aber darauf bestand, sich nur durch ihn vertreten zu lassen (147.10.).

Im Anschluss an dieses Verfahren klagte Samek auch in eigener Person den Wiener Tag wegen Ehrenbeleidigung: In der Berichtigung war sein Name unrichtig als "Szamek" wiedergegeben worden und er verlangte eine entsprechende Berichtigung - diese wurde gebracht, aber mit folgendem Zusatz:

"Sie wissen nicht, wie sich der berühmte Doktor Oskar Samek schreibt? Jener Doktor Samek, der von seinem Herrn das Berichtigen, aber nicht die deutsche Sprache erlernt hat? Haben Sie die Berichtigung genau gelesen, die Herr Doktor Oskar Samek, der Rechtsanwalt des berühmten Sprachforschers Karl Kraus, fabriziert hat? Und wenn tausend Bestimmungen des Pressgesetzes gegen die Publikation dieser Berichtigung stünden - diese Berichtigung muss publiziert werden. Zum Beweis, dass Karl Kraus auch ungelehrige und schlechte Schüler hat." (147.15.)

Tatsächlich handelte es sich recht eindeutig um einen Tippfehler, erklärte Samek und folgerte: "Durch diese Notiz  wurde die Uebertretung der Ehrenbeleidigung nach § 491 StG. durch die Presse begangen, da ich darin sowohl als Analphabet, wie auch als Sklave eines 'Herrn' vor der Oeffentlichkeit und insbesondere vor meinen Berufskollegen blossgestellt werde." (147.15.) Der weitere Verlauf der Sache geht aus dem Akt nicht hervor.