Karl Kraus ca. Der Abend

Wien
12.12.1928 – 15.04.1929

[117.] Kraus und Oskar Samek forderten die Berichtung eines entstellenden Druckfehlers in dem Artikel "Karl Kraus und Henri Barbusse an den österreichischen Justizminister": Anstelle von "empfunden" war "empfinden" gedruckt worden. Der Abend lehnte eine Berichtigung ab, da dieser Druckfehler den Sinn der Erklärung nicht entstellt habe und erklärte, dass Kraus der Weg der Klage allerdings freistehe. Kraus klagte tatsächlich und bei der Verhandlung lenkte der verantwortliche Redakteur Siegfried Klausner ein: Es kam zu einem Vergleich, bei dem Der Abend die Kosten übernahm und sich verpflichtete, die Berichtigung zu bringen. Diese erschien am 21. Januar 1929 nicht in gesetzmäßiger Form und mit der Nachbermerkung:

"Diese Berichtigung beweist wieder einmal, daß der Meister des Querulierens den letzten Zweck nicht in der Sache sieht, sondern darin, daß sein Wort erfüllet werde. Im übrigen läßt ja das Preßgesetz die verschiedensten Leute an die Berichtigungskrippe [...]. Soll er auch das Haxel heben und sein Berichtigungslakerl machen." (117.8.)

Samek verlangt eine erneute, ordnungsgemäße Berichtigung - diese erschien mit dem Kommentar: "Der Herr Kraus glaubt jetzt wahrscheinlich, daß er uns einen besonders gelungenen Possen gespielt hat. Das ist nicht der Fall, vielmehr sind wir bereit, den Herrn Kraus in einem Sanatorium unterbringen zu lassen, wo man ihm eine Entwöhnungkur gegen Querulieren angedeihen lassen wird." (117.10.)

Es kam zu einer neuerlichen Berichtigungsforderung, da der Kommentar neben dieser Beleidgung auch weitere falsche Behauptungen aufstellte, und zu einer neuerlichen Klage. Der Abend wurde zu Kostenersatz und Veröffentlichung der Berichtigung verurteilt. Diese brachte er mit den einleitenden Worten:

"Herr Karl Kraus hat uns wieder mit einer Berichtigung belästigt. Da wir der Ansicht waren, daß alles seine Grenzen hat, auch der Mißbrauch den Herr Kraus mit Hilfe seines Anwalts mit dem Berichtigungsparagraphen treibt, haben wir diese Berichtigung nicht veröffentlicht, da sie offensichtlich den Bestimmungen des Preßgesetzes nicht entsprach. Der Hofrat Höfelmayer vom Strafbezirksgericht I war jedoch anderer Ansicht, und so müssen wir daher auch diese 'Berichtigung' des Herrn Kraus veröffentlichen." (117.14.)