562. Vorlesung am 25.09.1930

Wien
25.09.1930

[Karl Kraus las im Architektenvereinssaal] 25. September, ½8 Uhr:

Die Schwätzerin von Saragossa.

Begleitung: Franz Mittler.

[Die Fackel 845-846, 12.1930, 14] - zitiert nach Austrian Academy Corpus

Programmzettel

[...]

THEATER DER DICHTUNG

Zum 50. Todestag Offenbachs
(5. Oktober)

Zum zeiten Mal

Die Schwätzerin von Saragossa

Operette in zwei Akten von Jacques Offenbach

Text nach Charles Nuitter von Carl Treumann, bearbeitet von Karl Kraus

Musikalische Einrichtung und Begleitung: Franz Mittler

Personenverzeichnis der Wiener Erstaufführung, Donnerstag, 20. November 1862, im k. k. priv. Theater am Franz Josef-Quai (»Zum Vortheile des Ober-Regisseurs Louis Grois. Die neuen Dekorationen: 1. ‚Straße in Saragossa‘ von Hrn. Burghardt. 2. ‚Zimmer in Sarmiento’s Hause‘ von Hrn. Pape, Dekorateur dieses Theaters. Das neue Kostume nach Original-Zeichnungen des Hrn. Franz Gaul, ausgeführt vom Garderobe-Inspektor Moritz Meyer«)

[...]

Mit Zeitstrophen zum Couplet des Alkaden und des Schreibers, zur Klage der vier Gläubiger, zur Ariette der Beatrice (2. Akt) und zum Schlußgesang, dieser mit einer Huldigung für Offenbach.

[...]

Auf dem Theaterzettel der Wiener Erstaufführung stand ferner:
»Den Anfang macht: Vom Juristentage, Posse in einem Akt von Anton Langer (mit Knaack, Grois und Rott)«.

Der Offenbach-Biograph Louis Schneider sagt:

Le musicien utilisa ses loisirs à travailler aux Bavards, ou, pour parler plus exactement, à remanier cette œuvre. Le livret était de Nuitter. La pièce avait été donnée en un acte, sous le titre de Bavard et Bavarde, au théâtre d’Ems, pendant l’été de 1862, devant la belle société de la station estivale allemande alors à la monde. Nuitter, conseillé, par le musicien, vit dans l’imbroglio qu’il avait tiré de Michel Cervantès, l’étoffe d’un acte de plus, et les Bavards furent donnés aux Bouffes le 20 février 1863 en deux actes. C’est, si on peut ainsi le qualifier, une opérette de cape et d’épée. Il pleut là-dedans des soufflets, des coups d’épée et des estafilades. L’action se passe en Espagne. Un seigneur nommé Sarmiento a été con- damné à une amende pour avoir égratigné un voisin avec sa rapière. Pendant que Sarmiento s’acquitte chez le juge, un pauvre hidalgo, Roland, lui demande un coup de rapière qui lui rapportera quelque argent; et il accompagne sa prière d’une redondance d’érudition, d’un luxe de volubilité que Sarmiento se promet de mettre à profit; car il y a une femme, Béatrix, qui est une bavarde incorrigible. Et c’est alors un duo ou plutôt un duel de paroles entre Roland et Béatrix, duel qui ne s’arrête que lorsque la femme de Sarmiento, submergée, affolée, surexcitée, puis ne pouvant plus placer un mot, un soupir, s’avoue vaincue et désormais guérie. Nuitter avait greffé sur ce très amusant scénario un alcade grotesque, un frère de Brid’oison, qui fit la joie du public. Et les Bavards furent un gros succès. Jamais, du reste, Offenbach n’avait parlé une langue musi- cale plus spirituelle, plus élégamment ailée. Sa partition est un bijou de légèreté gracieuse. Le chœur des créanciers du premier acte, l’entraînante chanson de Roland: «C’est l’Espagne qui nous donne le bon vin, les belles fleurs», le trio des biscuits, la romance: «Sans amour ah! peut-on vivre» en sont les perles. Madame Ugalde avait porté crânement le travesti de Roland; Pradeau était in- énarrable en alcade, Désiré était Sarmiento; Édouard Georges, Valter et mademoiselle Tostée complétaient une interprétation qui contribua à la réussite des Bavards.

Demnach wäre — wenn der Biograph nicht irrig datiert — die Wiener Erstaufführung der zweiaktigen Fassung vor der Pariser erfolgt. Ein Kuriosum bildet auch, daß die Partie des Roland, die in Paris eine Dame innehatte, in Wien Treumann, der Darsteller des Cornarino und des Brasilianers — der alles spielen wollte —, gegeben hat. Wenn es sich nicht von selbst verstünde, daß immer die letzte der vorgetragenen Offenbach-Musiken die schönste ist, dieser — die eben darum, von einer nichtswürdigen Kritik herabgesetzt, bald verklungen und vertan war — müßte einstimmig der Preis zuerkannt werden. (Man wird zum Blaubart dieser Partituren. Die nächste ist Perichole: »Ah, welcher Liebreiz fesselt die Seele, das ist die elfte, die ich mir wähle! Wie sie
schön ist, wie sie schön!« Freilich entledigt man sich niemals der vorhergehenden.) Der meisterliche Text der »Schwätzerin« — keine eigentliche Operette, aber musikalisches Lustspiel mit dem vorbildlich operettenhaften Einschlag von Autoritätssatire — hat sich wieder im Brünner Theaterarchiv vorgefunden; die Beschaffung der Musik ist auf Anregung Eduard Steuermanns erfolgt, der den Vortragenden auf das phänomenale Quartett im zweiten Akt — die Zähmung der Schwätzerin — hinwies, das er in einer Schülerproduktion französischer Musik gehört hatte. Es zeigte sich, daß keine der anderen Partien hinter dieser zurückbleibt. Das kann aber auf die Wiener Staatsoper, die im Offenbachjahr Heubergers »Opernball« herausbringen muß, keinen Eindruck machen. Und schon gar nicht auf die Ravag!

Ein Zeitungsausschnitt

unvergilbt, aus der Zeit, die besseren Text auf besserem Papier hatte, vermutlich aus der ‚Wiener Zeitung‘ und vom Ende des Jahres 1859, enthält ein sechsspaltiges Feuilleton des ehedem berühmten Wiener Kritikers Friedrich Uhl, des späteren Schwiegervaters Strindbergs, dem die Musik der »Schwätzerin« gewidmet war und der, ehe er selbst geschwätzig wurde, manche wertvolle Beobachtung dem Theaterwesen abgewonnen hat. (Von ihm stammt übrigens die erste Besprechung der »Demolierten Literatur«.) Der Bericht — mit dem falschen Geburtsdatum 1821 (statt 1819) — führt den Offenbach der Einakter-Produktion vor, der damals schon, lange vor der Reihe der Meisterwerke, die beiden großen Musikstädte beherrscht hat, und spricht den bald erfüllten Wunsch aus, »Orpheus« mit Nestroy als Jupiter aufgeführt zu sehen. So äußerlich der Charakter Offenbachs als des »geistigen Spekulanten« gefaßt sein mag, so greifbar und ergreifend lebendig wirkt die Erscheinung, namentlich in dem Bild der ihn umspielenden Kinder.

Wiener Chronik.

— 26. November.

Die Aufführung einer neuen Operette von Offenbach gibt; mir die erwünschte Gelegenheit, über diesen Componisten einige Worte zu sagen. Er ist in neuester Zeit der musikalische Liebling Wiens, seine Trinklieder und Arien sind bei uns fast in jedem Munde; seine Melodien werden ebenso von Johann Strauß, als von dem um Almosen bettelnden Leiermann gespielt; nach seinen in Quadrillen zusammengebundenen Waisen tanzt die Dame im goldprunkenden Salon, und hüpft schwerfällig die Dienstmagd auf dem elastischen Tanzboden bei »Schwender«. Offenbach ist der musikalische Beherrscher des Carltheaters, dem er fast eine neue Physiognomie verliehen hat, und von hier aus haben seine Operetten den Weg über sämmtliche deutsche Bühnen genommen. In Wien wurde, kann man wol sagen, Offenbach für Deutschland entdeckt, für Deutschland, dem er doch seiner Geburt nach angehört.

Aber doch nur seiner Geburt nach. Seine Musik, wie sein ganzes Wesen sind französisch — er hat die deutsche Sprache fast völlig verlernt! Als ich in Paris ankam, noch beherrscht von dem Eindrucke, den Offenbachs hier zuerst aufgeführte Operetten hervorbrachten, war es das in der Passage Choiseul gelegene Theater der Bouffes-Parisiens , dessen Director der Componist der »Hochzeit bei Laternenschein« ist, welches ich sogleich besuchte. Wenn man in der Mitte der glänzend beleuchteten Passage angelangt ist, kennzeichnet eine Fahne den Eintritt zum Theater, und rechts einbiegend, steht man in einer kleinen Vorhalle, an deren Wänden die photographischen Porträts der Damen dieses Theaters in den verschiedenen von ihnen dargestellten Rollen zum Verkaufe ausgestellt sind. Die kleinen Sängerinnen der Bouffes-Parisiens gehören zu den schönsten und gesuchtesten Pariser Theaterdamen; die Versammlung der Göttinnen in der Offenbach’schen Oper: »Orphée« ist wirklich eine Schönheitsgalerie, und die Venus besonders eine wirkliche Venus. — Außerdem werden in der Vorhalle noch photographische Porträts und Carricaturen Offenbachs verkauft; Photographien und Litographien, Scenen aus den Operetten darstellend, einzelne beliebte Musikstücke u. s. w.

Als ich das Theater selbst betrat, konnte ich kaum meinen Augen trauen. Also das ist das Haus, in dem jene Operetten das Licht der Welt erblicken — welche uns in Wien so sehr entzücken? In dieser niederen Hütte werden sie geboren? Welche Idee hatten wir von dem Componisten Offenbach, dem Liebling Wiens, und seinem Theater; welche Stellung müsse er, meinten wir, in Paris einnehmen! Paris ist aber groß und glänzend und ein schwieriger Boden! Dort wird ein Theater-Director nicht so leicht reich wie in Wien! Offenbachs Opernbühnchen ist das kleinste der Pariser Opernhäuser, und nur bescheiden schmiegt es sich der Großen Oper, der Komischen Oper, der Italienischen Oper und dem Théâtre lyrique an. Es ist halb so groß wie das Josephstädter Theater, besitzt nur sechs Logen in zwei Rängen, die sich an das Proscenium lehnen, ist weder glänzend noch schimmernd, eher das Gegentheil, und doch ist es nicht nur eines der besuchtesten Theater von Paris, sondern auch eines der theuersten. Die Loge kostet 36, der Sitz 6 Francs. Es ist eben eines der lustigsten Theater von Paris, und nur noch dort findet man die eigentliche — komische Oper. Aus der Aeußerlichkeit dieses Theaters darf man nicht auf dessen Stellung in Paris schließen; Offenbach ist eben erst im Begriffe, sich als Director emporzuschwingen, und es wird nicht lange mehr dauern, daß er in ein neues glänzendes Haus einziehen wird. Offenbach beherrscht mit seiner Frohsinnsmusik ebenso Paris wie Wien, und dies besonders seit dem »Orphée«, der komischesten Oper, die wir kennen, und deren bisherige Nichtaufführung im Carltheater wir nicht begreifen. Nestroy als Jupiter, der sich in eine große Fliege ver- wandelt und mit Eurydice ein Summduett singt, wäre allein hinreichend, um das Glück dieses parodistischen Meisterwerks zu machen. Wer den »Orphée« gehört hat, wird wol Offenbach kaum den Vorwurf der Monotonie machen. Das Carltheater begeht also nicht nur eine Unterlassungssünde zu seinem eigenen Nachtheil, sondern es setzt auch den Offenbach von heute einer Kritik aus, die sich auf den Offenbach vor fünfzehn Jahren bezieht.

Doch kehren wir in die Bouffes-Parisiens zurück. Während der Vorstellung des »Orphée« trat in die bis dahin leergebliebene Loge neben uns eine Gesellschaft von Herren. Knapp an mich setzte sich ein langer, hagerer Mann, mit blondem Haar, blondem Schnurr- und Backenbart, kleinen stechenden blauen Augen, und einer sich nach dem Mund herabziehenden, gebogenen, aber etwas schwammigen orientalischen Nase, auf deren Sattel ein Zwicker saß. Es war etwas Blasirtes, Müdes, Kränkliches in der geknickten Haltung des Mannes, und der Blick, von oben herab fallend, hatte jenen »superioren Charakter«, den manchmal Berliner anzunehmen pflegen. Diese Berliner Manier ist allein daran schuld, daß man in Paris davon spricht, Offenbach besitze den bösen Blick, einige Damen behaupteten das uns gegenüber in vollem Ernste! — O, über das aufgeklärte Paris! Kurz wir sind keine Schmeichler, und sagen, der erste Eindruck, den Offenbach macht, ist kein günstiger. Halb leidend und gebrochen, halb höhnisch- hochmüthig, das ist der Ausdruck dieses Gesichts.

Allein man soll den Menschen nicht einseitig und nicht nach dem ersten Eindruck allein beurtheilen. Offenbach in der Welt und Offenbach zu Hause sind zwei verschiedene Menschen. Wenn man ihn z. B. des Abends im Café Riche sieht, wo er, umgeben von Schriftstellern und Künstlern, wenig spricht und desto mehr hört; wo junge Dichter Plane zu den Operntexten besprechen, die sie ihm liefern wollen, und wenn es sein muß, sogleich Hand ans Werk legen und Couplets oder Chansonetten schreiben; wenn in dieses Gespräch Villemessant, der Eigenthümer des Figaro, mit seinem tiefen schnurren- den Baß Calembourgs streut, und die Mitarbeiter des Figaro bald diese, bald jene lustige Begebenheit erzählen — da kann ein aufmerksam Beobachtender bemerken, daß Offenbach sich nur in diese Atmosphäre begibt, um das Parfüm des Genres, in dem er arbeitet, so recht mit vollem Munde einzuathmen, um — geistige Geschäfte zu machen. Hier fällt dieser Plan, dort jener, hier dieses Wort, dort jenes, Offenbach sitzt da wie ein Laubfrosch, öffnet den Mund, und schnappt die Fliege, den Autor des guten Planes. So kommt es, daß der Text bei Offenbach zumeist trefflich und ihm speciell zusagend gewählt ist. Das Café Riche ist für Offenbach eine Art Börse für Geist und Humor, und dort war es sogar, wo er von Nestor Roqueplan, dem Director der Komischen Oper, im letzten Winter den Antrag erhielt, ein Werk für das von ihm geleitete Institut zu schreiben, welchen Vorschlag er auch annahm, und zwar mit nicht geringem Stolze. Die Ursache, warum ihn dieser Antrag so sehr freute, werden wir später erzählen.

Nun das Gegenbild zu Offenbach, dem geistigen Speculanten. Sehen wir ihn zu Hause in seinem mit geschnitzten Eichenmöbeln geschmückten Arbeitszimmer im Lehnstuhl am Camine, dessen Gesimse eine große Bronce-Statuette der Euterpe schmückt; »Napoleon III. Herrn
Offenbach« steht auf dem Sockel. Auf dem Teppich des Zimmers tummeln sich vier Kinder, zwei schwarz, zwei blond. Die ersteren sind Ebenbilder der Mutter, einer Spanierin, die letzteren Porträts ihres Vaters, des Deutschen von ehedem. Die Kinder springen dem Vater auf den Schoß, spielen mit ihm und er spielt mit ihnen. Er setzt kleine Tanzfiguren auf eine Platte, trommelt mit den Fingern darauf, daß die Puppen hüpfen, und singt dazu stundenlang den Kindern lustige Waisen vor. Er darf nicht aufhören, denn die Kinder schreien immer wieder: »Chantez, Chantez, faites danser!« Diese Worte ruft auch das Publicum Offenbach zu. In der Welt ist Offenbach durch und durch Franzose mit dem gewissen Berlin-Kölner Orient-Ausdruck zum Ueberfluß; zu Hause in seiner Familie aber ist er so warm und gemüthvoll, wie es nur je ein echtes deutsches Herz gewesen.

Einem Manne übrigens, der soviel gelitten und gekämpft wie Offenbach, kann man seine kleinen Schwächen leicht vergeben. Bis vor kurzem war seine Lebensgeschichte eine wahre Leidensgeschichte eines aufstrebenden Musikers in Paris. Jacques Offenbach (Offenback, sprechen die Franzosen den Namen aus) ist zu Köln im Jahre 1821 geboren. Acht Jahre alt, kam er nach Paris und studierte drei Jahre lang im Conservatorium das Violoncell. In seinem zwölften Jahre präsentirte er sich bei der Opéra comique, wo ein Concurs für einen Violoncellisten ausgeschrieben ward, und errang über zwölf Mitbewerber den Sieg. Seine erste Composition, die er zur Aufführung brachte — componirt hat er schon im Alter von acht Jahren — war ein Lied, das er für den Komiker Grassot schrieb, in dem Vaudeville: »Pascal et Chambord«.

Bis dahin war er wenigstens innerlich glücklich: er componirte; aber jetzt, als er seine Werke verwerthen wollte, begannen die Leiden! Wer in Paris prüft auch nur die Opern eines Orchestergeigers, der keinen Namen und keine Protection besitzt, weder männliche noch weibliche, und der vor allem arm ist! Offenbach konnte es trotz jahrelangem Bitten bei den verschiedenen Directoren der Komischen Oper nicht dahinbringen, daß eines seiner Werke zur Aufführung angenommen wurde — daher seine Freude, daß man ihn jetzt bittet, eine Oper für dieses Theater zu componiren.

Endlich mit aller Ausdauer setzte er es durch, daß sich ihm die Thüren öffneten — des Variétés-Theaters. Die Operette, welche er dort aufführen ließ, also seine erste, welche in die Öffentlichkeit gelangte, war: »Pépito«, die wir unter dem Namen: »Das Mädchen von Elisonzo« kennen. Da er durchaus nicht dazu kam, seine Opern aufführen zu lassen, so wurde er Capellmeister im Théâtre français, wo es kein Orchester gab. Er schuf ein solches, und verließ es erst, als er die Concession für die Bouffes-Parisiens erhielt. Diese Periode umfaßt den Zeitraum von 1850 bis 5. Juli 1855.

Diese vier Jahre hindurch hatte er nämlich ebenso rüstig Opern componiert, als wieder vergebliche Gänge gemacht, sie aufzuführen. Offenbach meint, er habe wenigstens 3997 erfolglose Visiten bei Directoren, Künstlern u. s. w. abgestattet. Nun, meint er, wenn ich so viele erfolglose Gänge mache, um eine Oper zur Aufführung zu bringen, so will ich meine Zeit dazu verwenden, um eine Concession zu erhalten. Das ist, wenn auch kein Erfolg die Leistungen meiner armen Füße krönt — Offenbach meint, seine Füße seien blos von diesen Gängen so schwach und leidend — doch ein Ziel. Und nachdem er acht Gänge gemacht hatte — besaß er die Concession, die Bouffes Parisiens zu gründen.

Er baute zuerst ein kleines Theater in den Champs-Elysées, und eröffnete dasselbe im Winter 1855 mit den »deux Aveugles«. Bis zum Jahre 1859, also während drei Jahren, schrieb er 27 Operetten, von denen wir anführen: »Le Postillon en gage«; »Une Demoiselle en Loterie«; »La Bonne d’enfants«; »Dragonette«; »Vent du soir«; »Ba-ta-Clan«; »Le Violoneux«; »Le Savetier et le Financier«; »La Nuit blanche«; »Croquefer«; »Périnette«; »Mesdames de la Halle«; »La Chatte métamorphosée en femme«; »Le Mariage aux Lanternes«; »Madame Papillon«; »Pépito«; »Trom-bal-Cazar«; »Les Trois Baisers du Diable« »Le 66«; »La Rose de St. Flour«.

Das sind die aufgeführten Operetten, alle einactig — weil Offenbach, dem ihm verliehenen Privilegium gemäß, keine mehractigen schreiben und keine Chöre anwenden durfte. Nun hat er eine Erweiterung seines Privilegiums erhalten, und die Früchte desselben sind »Orphée« und jetzt »Geneviève«, große komische Opern kann man sagen. Offenbach produciert mit außerordentlicher Leichtigkeit. Als er mir erzählte, daß er in der Zeit seiner »erfolglosen Gänge« 16 größere Opern und 200 Lieder componirt habe, von denen keine Note bekannt geworden sei, und ich ihn fragte, warum er nicht diese veröffentliche, ehe er neue componire, meinte er: »Ich componire ebenso rasch eine neue Oper, als ich mich in die alte wieder hineinfinde!« Offenbach dürfte im nächsten Jahre ein neues Theater erbauen, zwar kein großes, aber doch ein geräumigeres als das jetzige, das wol 2200 Franken als höchste Tageseinnahme trägt, während das Theater, welches er zu errichten gedenkt, 4000 Franken — täglich einnehmen möge, setzen wir hinzu.

Friedrich Uhl.

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