500. Vorlesungsprogramm Karl Kraus

Transkription: 

[...]

I

Baudelaire-Zitat (1909) und Vorbemerkung zur Glossenreihe.

Vom Lynchen und vom Boxen (1910) Aus: »Nulla dies …« (1907) mit Vorbemerkung

Wahrung berechtigter Interessen (1911)

Das Ehrenkreuz (1909) mit Vorbemerkung

Wie in Deutschland die Unsittlichkeit zustandekommt und wie die Sitte spricht (1914)

Die Schuldigkeit (1909)

Das ist so allgemein bekannt … (1910) 

Ein Satz (1911)

Schlichte Worte (1912)

So ist es (1913)

Nichts Neues in Borszczow (1914) 

Unsere bewaffnete Macht (1914) 

Die elektrische Bahn Wien—Preßburg ist eröffnet worden (1914)

Wie schön wäre das Leben (1914)

Ein Ruf, der bis ans Ende der Zeit dringt (Nr. 400—403, 10. Juli 1914) mit Vorbemerkung.

II

Ein Tag aus der großen Zeit (Nr. 405, Februar 1915) mit Vorbemerkung

Aus: »Die letzten Tage der Menschheit«: Winter in den Karpathen / Kriegsministerium / Standort des Armeeoberkommandos

Die Raben

Reklamefahrten zur Hölle

III

Nach dreißig Jahren

Rückblick der Eitelkeit

(Ungedruckt)

Änderung und Kürzung vorbehalten

Ein Teil des Ertrags fällt der Steuerbehörde zu, da für die durch die jahre wohltätigen Zwecken gewidmenten Erträgnisse nachträglich die Steuer gezahlt werden muss.

[...]

Von den 500 Vorlesungen haben 313 in Wien, 187 außerhalb Wiens stattgefunden; die außerhalb Wiens in Berlin (68), Prag (31), München (10), Paris (10), Hamburg (9), Brünn (8), Graz (4), Innsbruck (4), Zürich (4), Karlsbad (3), Teplitz-Schönau (3), Bielitz (2), Budapest (2), Czernowitz (2), Dresden (2), Frankfurt a. M. (2), Mähr.-Ostrau (2), Neustrelitz (2), Preßburg (2), Triest (2), Aachen, Aussig, Dortmund, Dzieditz, Essen, Gablonz, Hagen, Heidelberg, Königsberg, Linz, Mannheim, Pilsen, Pola, Salzburg, Troppau.

1. Vorlesung 13. Januar 1910, Berlin (»Verein für Kunst«); 100. Vorlesung 13. Februar 1917, Frankfurt a. M. (Großer Saal des Frankfurter Hofs); 100. Wiener Vorlesung 9. Mai 1920, (Mittlerer Konzerthaussaal); 200. Vorlesung 8. Mai 1921, Wien (Renaissance- Bühne); 250. Vorlesung 2. November 1922, Wien (Mittlerer Konzerthaussaal); 300. Vorlesung 17. April 1924, Wien (Großer Konzerthaussaal); 200. Wiener Vorlesung 1. Januar 1925, (Mittlerer Konzerthaussaal); 350. Vorlesung 14. Oktober 1925, Wien (Architektenvereinssaal); 250. Wiener Vorlesung 14. März 1926, (Mittlerer Konzerthaussaal); 400. Vorlesung 20. November 1926, (Großer Konzerthaussaal); 300. Wiener Vorlesung 30. November 1928, (Großer Konzerthaussaal); 500. Vorlesung 29. April 1929, Wien (Großer Konzerthaussaal). — Diese Vorlesungen waren solche aus eigenen Schriften, mit Ausnahme der 350., in der vor »Traumtheater« Goethes »Pandora« gelesen wurde.

An 234 Abenden wurden eigene Schriften, an 118 Abenden teils eigene, teils fremde, an 148 Abenden ausschließlich fremde Schriften gelesen.

Theater der Dichtung: Goethe: »Pandora« (13 mal), »Clavigo«, »Iphigenie« und wiederholt Akte aus »Faust II«; Gogol: »Der Revisor« (3 mal); Hauptmann: »Hannele Matterns Himmelfahrt (16 mal), «Die Weber« (4 mal), »Der Biberpelz« (2 mal), Akte aus »Die Weber«, »Und Pippa tanzt«; Ibsen: Szenen aus »Peer Gynt«; Nestroy: »Das Notwendige und das Überflüssige« (16 mal), »Lumpazivagabundus« (9 mal), »Der Talisman« (8 mal), »Judith und Holofernes« (7 mal), »Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab« (6 mal), »Der Zerrissene« (5 mal), »Eine Wohnung zu vermieten« (5 mal), »Tritschtratsch« (5 mal), »Die schlimmen Buben in der Schule« (4 mal), »Der konfuse Zauberer« (4 mal), ferner Couplets, Monologe und Szenen aus: »Höllenangst«, »Papiere des Teufels«, »Die verhängnisvolle  Faschingsnacht«, »Einen Jux will er sich machen«, »Glück, Mißbrauch und Rückkehr«, »Der alte Mann mit der jungen Frau«, »Tritschtratsch«, »Frühere Verhältnisse«, »Lumpazivagabundus«, »Das Notwendige und das Überflüssige«, »Heimliches Geld, heimliche Liebe«, »Das Gewürzkrämerkleeblatt«, »Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim«, »Die schlimmen Buben in der Schule«, »Der Zerrissene«, »Der konfuse Zauberer«, »Eine Wohnung zu vermieten«, Nestroys Einlage in der Posse »Das Gut Waldegg« von Friedrich Hopp; Niebergall: »Datterich«; Offenbach: »Pariser Leben« (11 mal), »Blaubart« (9 mal), »Die Großherzogin von Gerolstein« (8 mal), »Madame l’Archiduc« (6 mal), »Die Briganten« (6 mal), »Die Prinzessin von Trapezunt« (2 mal), ferner Couplets und Lieder aus: »Orpheus in der Unterwelt«, »Die schöne Helena«, »Blaubart«, »Die Prinzessin von Trapezunt«; Lecocq: Lied aus »Angot«; Raimund: Szenen und Lieder aus: »Der Alpenkönig und der Menschenfeind«, »Der Bauer als Millionär«, »Der Verschwender«; Shakespeare: »König Lear« (10 mal), »Die lustigen Weiber von Windsor« (9 mal), »Timon von Athen« (4 mal), »Maß für Maß« (3 mal), »Verlorne Liebesmüh’« (3 mal), »Macbeth« (2 mal), »Hamlet«, »Troilus und Cressida«, »Coriolanus«, ferner Akte und Szenen aus: »König Lear«, »Timon von Athen«, »Verlorne Liebesmüh’«, »Maß für Maß«, »König Johann«, »Coriolanus«, »König Heinrich VI.«; Wedekind: »Totentanz« (5 mal).

Lyrische und andere Dichtungen: Von Altenberg, Benedictis (Wieland), Börne, Bürger, Celano (Herder), Claudius, Eschenburg, Fleming, Goeckingk, Goethe, Grillparzer, Gryphius, Günther, Hagedorn, Harsdörffer, Hermes, Hoffmann von Hoffmannswaldau, Hölderlin, Hölty, Jacobsen, Janowitz, Klaj, Klopstock, Kong-fu-tse, Lasker-Schüler, Lichtwer, Liliencron, Li-tai-pe, Otto Ludwig, Mörike, Jean Paul, Petronius, Ramler, Schiller, J. E. Schlegel, Schwieger, Strindberg, Thu-fu, Trakl, Weckherlin, Wedekind, aus dem Schi-King, etc; nebst Zitaten aus Balzac, Baudelaire, Bismarck, Carlyle, Grimmelshausen, Hamsun, Herder, Kierkegaard, Kürnberger, Lassalle, W. Liebknecht, Lichtenberg, Luther, Rabelais, Vigny, Lionardo da Vinci, Weber (Demokritos), etc.

Die Behörde zum Jubiläum der Fackel

Steueradministration für den IV. V. u. X. Bezirk in Wien

Herrn Karl Kraus am 14. Feber 1929

Ihr Bekenntnis für das Jahr 1927 bedarf in den unten verzeichneten Punkten näherer Aufklärung, bezw. Ergänzung. Sie werden daher im Sinne der §§ 202, 205, 206 a, 210, bezw. 18, 20 bezw. 238 d des Personalsteuergesetzes, B. G. Bl. Nr. 307 vom Jahre 1924, in der Fassung der Personalsteuernovelle vom Jahre 1925, B. G. Bl. Nr. 124, eingeladen, sich binnen 10 Tagen über diese Punkte schriftlich (tunlichst unter Verwendung des zweiten Blattes dieser Zuschrift) oder mündlich zu äußern.

Im Falle verweigerter, unterlassener oder verspäteter Beantwortung dieser Zuschrift kann die Veranlagung ohne Ihre weitere Mitwirkung im Sinne der unten zitierten Gesetzesstellen auf Grund der vorliegenden Behelfe von Amts wegen vorgenommen, bezw. Ihnen außerdem ein Zuschlag bis zu fünf Prozent der endgültig festgestellten Steuer auferlegt werden.

Es empfiehlt sich daher im eigenen Interesse, diese Zuschrift in allen Punkten rechtzeitig zu beantworten.

Unrichtige Angaben können als Steuerhinterziehung verfolgt und geahndet werden.

I. Vorlesungen

Die mit nur . . . . · . . S ausgewiesenen Einnahmen aus Vorlesungen erscheinen mit Rücksicht auf den Zuspruch den dieselben stets finden, und unter Berücksichtigung Ihrer bisherigen Erfolge, viel zu gering.

Auch Sachverständige schätzen den Umsatz und Reingewinn wesentlich höher.

Nachweis der Bruttoeinnahmen an der Hand der Originalabrechnungen.

Detaillierung der Post — — per ....... S nach den verschiedenen Kategorien.

II. Verlag »Die Fackel«

Bekanntgabe der Warenbewertungsgrundlage.

Detaillierung der Post Belastungen ...... S nach den verschiedenen Kategorien. — —

III. Sonstiges

1.) Wurden die Kosten der »Schoberplakate« in die Betriebsrechnung der Firma aufgenommen? In welcher Höhe? In welcher Post ist dieser Betrag enthalten?

2.) Ferner sollen Sie auf ein Preisausschreiben einer italienischen Krawattenfabrik einen größeren Preis erzielt haben. In welcher Ziffer des Bekenntnisses ist dieser enthalten?

Dr. Müller

am 13. März 1929

An die Steueradministration für den IV., V. und X. Bezirk

Die Zuschrift vom 14. Februar 1929 beantworte ich in der mir bis zum 15. März 1929 erteilten Frist wie folgt:

I. Vorlesungen

Wenn die mit . . . . · . . S ausgewiesenen Einnahmen aus Vorlesungen »mit Rücksicht auf den Zuspruch, den dieselben stets finden, und unter Berücksichtigung der bisherigen Erfolge viel zu gering erscheinen«, so kann sich dies entweder nur daraus ergeben, daß im Jahre 1927 weniger Vorlesungen als in früheren Jahren, jedenfalls weniger »aus eigenen Schriften« stattgefunden haben oder daß eben die Erfolge geringer waren. Aus den wahrheitsgetreuen Fatierungen der in Betracht kommenden Jahre läßt sich der Grund entnehmen.

Wenn die Sachverständigen »den Umsatz und Reingewinn wesentlich höher schätzen«, so kann dies nur seinen Grund entweder in dem Verkennen dieses Sachverhalts haben oder in einem nicht zureichenden Sachverständnis. Ich verlange den Sachverständigen gegenübergestellt zu werden und erwarte, daß sie den Mut haben werden, mir ins Gesicht ihren Zweifel aufrecht zu erhalten und zu begründen, da sie mich des glatten Betruges, der selbst vor der Fingierung von Dezimalstellen nicht zurückschrickt, für fähig halten.

Ich lege die Originalrechnungen des Jahres 1927 in der Beilage vor (19 Rechnungen) und ersuche um deren Rückstellung. — —

Die Frage nach der Detaillierung der Post — — per S . . . . · . . beantwortet sich aus den beigelegten Abrechnungen und der folgenden Aufklärung. — —

II. Verlag »Die Fackel«

Die Warenbewertungsgrundlage ist der Selbstkostenpreis der Werke. Die Belastungen setzen sich zusammen aus: — —

III. Sonstiges

1.) Die Frage, ob die Kosten der Schoberplakate in die Betriebsrechnung der Firma aufgenommen wurden und in welcher Höhe, und in welcher Post sie enthalten sind, wird wie folgt beantwortet:

1.) ja 2.) in der Höhe von 31 S für Druck und 148·50 S für Plakatierung. 3.) unter Druckereikosten beziehungsweise Redaktionsspesen.

Zu dieser Beanstandung bemerke ich das Folgende: sie wäre, so geringfügig die Kosten der Schoberplakate waren, sachlich durchaus denkbar, wenn diese Abzugspost der Steuerbehörde ausdrücklich angegeben worden wäre. Sie ist auffallend, da die Steuerbehörde ganz spontan auf die Idee gekommen ist, daß ich vielleicht imstande wäre, die Kosten dieses ihr offenbar erinnerlichen Plakates als Betriebskosten aufzufassen. Und da ist natürlich freimütig zu bekennen, daß ich dazu imstande war. Ich bin tatsächlich der Meinung, daß das Plakat, mit dem ich den publizistischen Kampf gegen den Polizeipräsidenten eröffnet habe und welches ich zu dem Zwecke habe erscheinen lassen, um ihn hinsichtlich konkreter Beschuldigungen zum Rücktritt zu bewegen, zu meiner publizistischen Tätigkeit, für deren Erträgnis ich Steuern zahle, gehört; daß also dessen Kosten ganz wie die Kosten des Druckes der Zeitschrift, in der dieser Kampf fortgesetzt wurde, vom Ertrag meiner publizistischen Tätigkeit in Abzug zu bringen sind. Falls die Steuerbehörde der gegenteiligen Auffassung zuneigen sollte, so werde ich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit der Einsetzung dieses Postens in die Betriebskosten meiner publizistischen Tätigkeit herbeiführen.

2.) Die letzte Frage lautet: »Ferner sollen Sie auf ein Preisausschreiben einer italienischen Krawattenfabrik einen größeren Preis erzielt haben. In welcher Ziffer des Bekenntnisses ist dieser enthalten?« Auf diesen Vorhalt antwortete ich: Vielleicht ist hier die Steuerbehörde das Opfer eines Schabernacks geworden, den sich irgendein anonymer Bube, sei es brieflich, sei es durch das gedruckte Wort mit ihr erlaubt hat, indem er sie etwa auf den ihm und wohl auch Anderen Mißliebigen hetzen wollte. Die Vorstellung ist wohl schwer erträglich, daß eine Behörde die Auffassung von einem Schriftsteller haben könnte, daß er sich durch 30 Jahre eine ethische Mission angemaßt hat, bis es gelang, ihn dabei zu ertappen, wie er bei einer italienischen Krawattenfabrik einen größeren Preis erzielt und diesen Gewinn verschweigt.

Vielleicht ist aber die sonderbare Frage aus einer Verwechslung zu erklären, indem der Steuerbehörde das auf Wahrheit beruhende Gerücht zu Ohren gekommen sein könnte, daß ich von Professoren der französischen Sorbonne für den literarischen Nobelpreis vorgeschlagen war, den ich tatsächlich nicht erhalten habe.

Karl Kraus

[...]

Signatur: 
H.I.N.-240214