[Karl Kraus las im Mittleren Konzerthaussaal am 26. November, 3 Uhr:
I. Das Wort, sie sollen es lassen stahn [Mit Vorbemerkung]. — In eigenster Sache.
II. Aus: Kralikstag (Einleitung). — Szenen: Die Cherusker in Krems / Elfriede Ritter und die Reporter. — Die vornehmsten Gäste aus der Kulturstadt Wien / Großmann daheim. — Reklamefahrten zur Hölle. — Im Untergang.
Ein Teil des Ertrags — wie 2. November —: K 1,000.000 für den Verband der Kriegsblinden Österreichs (III. Henslerstraße 3) und für den N.-ö. Landesverein für Jugend- und Kriegerhinterbliebenenfürsorge (Wien, I., Drahtgasse 3).
[Die Fackel 608-612, 12.1922, 50] - zitiert nach Austrian Academy Corpus
Programmzettel
[...]
I
Das Wort, sie sollen es lassen stahn (November 1921) [Mit Vorbemerkung]
Erklärung [ungedruckt]
5 Minuten Pause
II
Aus: Kralikstag
Szenen: Die Cherusker in Krems
Elfriede Ritter und die Reporter
Die vornehmsten Gäste aus der Kulturstadt Wien
Großmann daheim
Dorfkirchl schaut zu
Das Ehrenkreuz [Februar 1909]
Geheime Verhandlungen mit Zulassung der Presse [Mai 1913]
5 Minuten Pause
III
Reklamefahrten zur Hölle [November 1921]
Im Untergang
Änderung und Kürzung vorbehalten
Ein Teil des Ertrags für die Kriegsblinden (III. Henslerstraße 3).
[...]
Das bisherige Ergebnis — neben zwei Millionen Kronen aus dem Ertrag einer Vorlesung nur eine aus der unmittelbaren Beteiligung des Publikums — ist beschämend dürftig und recht eigentlich der Tatsache angemessen, daß das Ehrengrab Peter Altenbergs so lange durch kein sichtbares Zeichen zu erkennen gibt, wer darin ruht. Daß die Leute, die sich Künstler nennen, wenigstens zu diesem edlen Zweck etwas beisteuern könnten, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Die Kreuze in der nichtswürdigsten Tagespresse geben Zeugnis davon, wie viel sie der irdische Ruhm täglich kostet. Ein winziger Bruchteil, an dessen schmutzigen Verwaltern erspart, würde hinreichen, um dem Andenken eines Dichters, der freilich lebendiger ist als ihrer aller Gegenwart, die äußere Ehre zu erweisen. Der Vorleser spricht die Erwartung aus, daß das Publikum nun durch regere Teilnahme wettmachen wird, was es selbst und was die armseligen Kunsttreibenden dieser Stadt bisher versäumt haben. Er müßte sonst, da die Kosten eines Grabsteines viel höher sind als das bisherige Ergebnis der Sammlung, weitere Vorlesungserträgnisse aufwenden, welche dann der Fürsorge für ein hungerndes und frierendes Leben entzogen wären. Ganz nebenbei aber und zur Gelegenheit des 60. Geburtstages Gerhart Hauptmanns sei bemerkt, daß er besser getan hätte, anstatt einer Welt, die das freilich so haben will, das allen einstigen Spuren von Echtheit hohnsprechende Schauspiel zu bieten dieser unermüdlichen Willfährigkeit, sich feiern zu lassen — daß es ihm wohl angestanden hätte, wenigstens einer einzigen dieser tausend Freß- und Preßorgien zugunsten der wie eh und je hungernden Weber abzuwinken. Auch könnte gerade er sich des Altenberg-Grabes erinnern, der ja das Genie des Mannes früh genug erkannt hat. Wenigstens ist dies durch ein in meinem Besitz befindliches Schreiben beglaubigt, das den folgenden Wortlaut hat:
Lieber Herr Peter Altenberg,
gestern sprach ich mit Gerhart Hauptmann, der sich über Ihr Buch in unendlich sympathischer Weise äußerte und unter anderm sagte, seit Jahren habe kein Buch einen so starken Eindruck auf ihn gemacht als das Ihre.
Da diese Bemerkung für Sie interessant sein dürfte und sie sonst kaum an Sie gelangen könnte, fühle ich mich in gewissem Sinne angenehm verpflichtet, sie Ihnen mitzuteilen.
Mit bestem Gruß Ihr ergebener
Berlin, 29. X. 96. Arthur Schnitzler
Ganz in diesem Sinne will ich (wenn der Autor des Schreibens binnen acht Tagen keinen Einspruch erhebt) es als Autogramm verkaufen, um wenigstens auf diese Weise die deutsche Literatur zur Errichtung eines Grabsteines für Peter Altenberg
heranzuziehen. Der Wert des Autogramms ist allerdings beträchtlich erhöht durch eine Randnotiz Peter Altenbergs, der die ihm widerfahrene literarische Weihe mit den Adressen eines Nachtcafés und offenbar einer von dessen Besucherinnen quittiert hat — eine Altenberg-Reaktion, um derentwillen ich vor so viel Jahren mir das Doppelautogramm von ihm erbat, das der unheimliche Zufall gerade im Jahr der Grabsammlung und der sechzigsten Geburtstage auffinden half. Wenn ich noch erwähne, daß dieser Sachverhalt durch eine handschriftliche Bemerkung von mir festgestellt ist, so dürfte dem Wert des Schriftstücks und dem guten Zweck, dem er bestimmt ist, keine Einbuße drohen. Es kann im Ernst nicht angenommen werden, daß die beiden Dichter, die ja der lauteren irdischen Huldigung teilhaft wurden, etwas dagegen einzuwenden haben, daß mit diesem echten Altenberg-Dokument auf echte Altenberg-Art dazu beigetragen werde, daß sein Grab zu der würdigsten und selbstverständlichsten aller Ehren kommt.