[Karl Kraus las im Festsaal des Niederösterreichischen Gewerbevereins am] 30. März, 7 Uhr:
König Lear, Tragödie in fünf Aufzügen von Shakespeare nach Wolf Graf Baudissin (Schlegel-Tieck’sche Ausgabe) und anderen Übersetzern vom Vorleser bearbeitet. Zwischen dem 2. und 3. Akt: Präludium von Bach. Musik während der Zelt-Szene im 4. Akt.
[Die Fackel 595-600, 07.1922, 68] - zitiert nach Austrian Academy Corpus
Programmzettel
[...]
König Lear
Tragödie in fünf Aufzügen von Shakespeare
nach Wolf Graf Baudissin (Schlegel-Tieck’sche Ausgabe) und anderen Übersetzern vom Vorleser bearbeitet
[...]
Nach dem 1., 3., 4. Aufzug einen ganz kurze Pause, nach dem 2. eine Pause von 10 Minuten.
Zwischen dem 2. und 3. Akt: Präludium von Bach. Musik während der Zelt-Szene im 4. Akt.
Der volle Ertrag dieser Vorlesung — wie der vergangenen drei Abende — ist der »Österreichischen Künstlerhilfe für die Hungernden in Rußland« (I. Hofburg Michaelertor), der Amerikanischen Kinderhilfsaktion (I. Bösendorferstraße 13) und der »Gesellschaft der Freunde« (I. Singerstraße 16) zugewendet
[...]
Da dem besondern wohltätigen Zweck zuliebe die Preise vom Veranstalter wesentlich erhöht worden waren und am ersten Abend leider ein Teil der teuersten Plätze unverkauft geblieben ist, so wurde, um der Künstlerhilfe für Rußland für die späteren Veranstaltungen auch diese Einnahme zu sichern, ausnahmsweise die Zustimmung erteilt, daß die Leitung der wohltätigen Aktion das zahlungsfähige Publikum durch die Presse verständige. Wie dieses Experiment ausgefallen ist, wird durch das folgende Schreiben an den Veranstalter R. Lányi dargetan:
Österreichische Künstlerhilfe für die Hungernden in Rußland Vorsitzender: Leonhard Frank Schriftführer: J. B. Schweide
Wien, 27. III. 1922
Euer Hochwohlgeboren!
Wir hatten zwar eine große Nachfrage nach Karten für dieVorlesung, konnten sie aber nicht verkaufen, da sie zu teuer befunden wurden.
In Bezug auf die Zeitungen haben wir unser Möglichstes getan: Wir haben laut Vereinbarung mit Ihnen am 21. d. an 16 Wiener Zeitungen folgende Notiz gesandt:
»Vorlesungen zu Gunsten der Österr. Künstlerhilfe für die Hungernden in Rußland.
Karl Kraus hat uns durch die Buchhandlung Lányi für die am 10. III. stattgefundene Vorlesung als gesamtes Reinerträgnis 264.272 K 50 h überwiesen. Karl Kraus wird noch folgende Vorlesungen für denselben Zweck halten:
Montag, den 27. März, ¾ 7 Uhr, im Ingenieur- u. Architektenvereinssaal: Shakespeare, »Die lustigen Weiber von Windsor«.
Mittwoch, den 29. März, ¾ 7 Uhr, im Festsaal des Gewerbevereines: Nestroy, »Das Notwendige und das Überflüssige« und anderes von Nestroy.
Donnerstag, den 30. März, ¾ 7 Uhr, im Festsaal des Gewerbevereines: Shakespeare, »König Lear«.
Karten sind in der Österreichischen Künstlerhilfe für die Hungernden in Rußland, Hofburg, Michaelertor, Feststiege und in der Buchhandlung Lányi, Kärntnerstraße 44, erhältlich.«
Am 24. d. sandten wir dieselbe Notiz (ohne den 1. Absatz und mit dem Vermerk, daß der Kartenverkauf in Ihrem Theaterkartenbureau auch Samstag und Sonntag stattfindet) wieder an alle Zeitungen. Die »Arbeiter-Zeitung«, die auch diese Notiz mit einem persönlichen Brief an den Chefredakteur Fr. Austerlitz von uns erhielt, hat sie vollständig im Morgenblatt vom 25. d., auf Seite 5, gebracht.
Wir haben alles unternommen, was in unseren Kräften lag, leider vergißt die Wiener Presse, daß es sich darum handelt, das Leben von Millionen von Menschen zu retten! Hochachtungsvoll
Hofburg, Michaelertor.
Österreichische Künstlerhilfe für die Hungernden in Rußland
J. B. Schweide